Grußwort anlässlich der Vorstellung der Filmdokumentation "Der Hildesheimer Braumeister mit dem lila Winkel",
5. Februar 2007 im Amtsgericht Hannover

Dank und willkommen an alle Gäste, die von fern und nah gekommen sind!

Vor allem Dank an den Präsidenten des Amtsgerichts Hannover, Prof. Dr. Volker Lessing, auf dessen Einladung wir hier sind,

und Dank an die Veranstalter:

- die Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel und die "Berthold-Mehm-Stiftung Hildesheim" in Zusammenarbeit mit dem "Verein Justiz und Kultur am Raschplatz": Herrn Wilfried Knauer (Leiter der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel) und Berthold Mehm.

Die Nationalsozialisten haben zwischen 1933 und 1945 die Existenz, die Namen und die Lebensgeschichten von unzäligen Menschen vernichtet. Sie wollten sie der Vergessenheit anheim fallen lassen.

Eines ihrer Opfer, Berthold Mehm aus Hildesheim, hat seinen Namen und seine Geschichte zurück erhalten - ein Zeugen Jehovas, der im KZ Sachsenhausen entrechtet und 1939 ermordet wurde. Zuvor war er aus Glaubensgründen vom Sondergericht hier in Hannover verurteilt worden - heute vor 70 Jahren - und wurde dann in das Strafgefängnis Wolfenbüttel eingeliefert.

Die heutige Veranstaltung zu Berthold Mehm (und das trifft auch auf die Publikationen zu Berthold Mehm zu) ist ein wichtiger Beitrag der Forschungs- und Gedenkarbeit zu den NS-Opfern in Niedesachsen. Dafür danken wir Ihnen, und dafür beglückwünschen wir Sie!

Ich möchte Herrn Knauers Einführung (und der Vorführung des Films) nicht vorgreifen und mich kurz auf einige Beispiele der Wahrnehmung der NS-Opfergruppe Jehovas Zeugen in Niedersachsen und Spuren der Erinnerung vor Ort beschränken:

[Hier am ehemaligen Gerichtsgefängnis in Hannover, Raschplatz, steht seit Mai 1989 ein Mahnmal, dessen Inschrift auch Zeugen Jehovas erwähnt (Ulrike Puvogel u.a., Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus, Bundeszentrale für politische Bildung, 1995, S. 418).]

Die Kultusministerin des Landes Niedersachsen übergab im April 1999 auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen eine Bronzetafel für alle Opfer des Nationalsozialismus, auf der auch auch Jehovas Zeugen aufgeführt sind. Sie wollte ein "ganz entschiedenes Symbol des Erinnerns" dem allgemeinen "Vergessen und Verdrängen" entgegensetzen, wie sie in ihrer Ansprache betonte. [Renate Jürgens-Piper]

Im Jahre 2000 gab die Mahn- und Gedenkstätte Ahlem und damit der Landkreis Hannover Faltblatt Nr. 17 heraus mit dem Titel "Heil Hitler kann ich nicht sagen." Die Verfolgung der Zeugen Jehovas - Frau Gabriele Lehmberg, mein damaliger Mitarbeiter Daniel Meier und ich arbeiteten bei dieser Veröffentlichung zusammen. Das Faltblatt beschreibt das Verfolgungsschicksal der Zeugin Jehovas und Opernsängerin Elly Reulecke-Baar.

Andere Beispiele sind heute Online - hier sind zu nennen das "Vernetztes Gedächtnis" der Stadt Braunschweig (mit dem Einzelschicksal Auguste Imlau) und die Webseite der KZ-Gedenkstätte Moringen, wo drei Frauenbiographien des Frauen-KZ (darunter Anna Bäumer aus Sollstedt und Hannover [sowie Hermine König und Katharina Thoenes sowie Frieda Gahse]) zu finden sind.

Die Webseite von Martin Guse thematisiert den Zeugen Jehovas Jonathan Stark im Jugend-KZ Moringen, der 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet wurde.

Es gibt weitere Beispiele - doch weit mehr Initiativen in Niedersachsen zur Erforschung und Wahrnehmung der verfolgten Bibelforscher oder Zeugen Jehovas wären wünschenswert und notwendig!

Ein schönes Beispiel für eine Initiative aus einem Nachbarbundesland liegt mit dieser Publikation vor:

Nordrhein-Westfalen hat seit einigen Wochen die Broschüre "12 Jahre - 12 Schicksale. Fallbeispiele zur NS-Opfergruppe Jehovas Zeugen in Nordrhein-Westfalen 1933-1945" vorzuweisen.

Herausgeber ist der Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten in NRW e.V. Die Landeszentrale für politische Bildung in Düsseldorf hat das Vorhaben unterstützt, dort kann die Broschüren bestellt werden. Im Internet sind Didaktische Hinweise für den Schulunterricht abrufbar (www.standfirm.de/nrw).

Die Fallbeispiele betreffen verfolgte Zeugen Jehovas, die auf dem Gebiet des heutigen NRW lebten. Ähnliche Beispiele gibt es für Niedersachsen. Berthold Mehm ist einer von ihnen.

Daher sind wir auf die biographische Filmdokumentation gespannt und auf die Einführung von Herrn Knauer!

Johannes S. Wrobel


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